Vom Pieks zur Belohnung – Hometesting

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Hometesting

In unserem Beitrag „Zuckerschnuten – Katzen mit Diabetes“ hast du bereits viel über Diagnose und Therapie von Diabetes mellitus erfahren können. Aber wie geht es weiter, wenn du mit deiner Katze zu Hause die Aufgabe der Überwachung des Blutzuckerspiegels allein bewerkstelligen musst? Vielleicht gruselt sich deine Katze auch noch vor der Insulinspritze? Wir erklären dir, wie das Hometesting reibungslos funktioniert.

Zunächst ist die Vorstellung, seine Katze täglich ins Ohr zu pieksen und ihr danach eine Spritze zu geben, sicherlich gewöhnungsbedürftig. Kaum eine Katze wird vom ersten Moment an freiwillig kooperieren. Als opportunistische Gewohnheitstiere können sie sich aber sehr gut mit regelmäßig auftretenden Abläufen arrangieren – die entsprechende Entlohnung vorausgesetzt. „Konditionierung“ heißt das Zauberwort und bedeutet in diesem Zusammenhang, dass deine Fellnase das Messen mit anschließender Spritze in einem bestimmten Ablauf mit etwas Positivem für sich verknüpft.

Überlege dir als Erstes einen Ort, an dem du künftig die Behandlung durchführen möchtest. Das kann die Küchenanrichte oder ein Tisch sein, auf dem du deine Katze bequem greifen und manipulieren kannst. Vielleicht möchtest du dich aber auch im Wohnzimmer mit deiner Katze auf den Boden setzen und dort die Behandlung auf ihrer Ebene angehen. Es sollte in jedem Fall eine Stelle sein, an der sich die Fellnase sicher fühlt und ihr ungestört von eventuellen Artgenossen oder dem Familientrubel seid. Ein besonderes Deckchen, das du vor der Behandlung auslegst und am Ende wieder entfernst, kann Start und Ende des Vorgangs kennzeichnen und mit der Wiederholung ein Zeichen für das Tier sein, was nun folgt.

Ein strukturierter Aufbau und Ankündigungssignal

Im ersten Schritt übst du mit der Samtpfote, dass sie für das Kommen zu dem festgelegten Ort etwas Tolles von dir bekommt. Eine besondere Leckerei, eine ausgiebige Bürsten- oder Streicheleinheit – was es auch ist, deine Katze sollte es wirklich mögen. Ihr übt das entspannte Verweilen an diesem Ort täglich mindestens zu den geplanten Messzeiten für wenige Minuten, gern häufiger.

Die medizinischen Utensilien, die du später benötigst, kannst du bereits neben euch platzieren, beachtest sie zunächst jedoch nicht. Es regnet für deine Katzen weiterhin tolle Dinge. Darfst du deine Fellnase streicheln, reiben deine Hände häufiger vorsichtig ihre Ohren, um diese langsam zu erwärmen, sofern sie kalt sind. Ein warmes Ohr ist besser durchblutet und vereinfacht damit die Blutentnahme. Schätzt deine Katze Berührungen nicht so sehr, kannst du mit einer erwärmten, mit Reis gefüllten Socke das Ohr mit nur geringer Manipulation ebenfalls erwärmen. Kommt auch das nicht in Frage, integriere eine kurze und nicht allzu intensive Spieleinheit direkt vor die Übung, bei welcher das Blut ebenfalls besser zirkuliert als im völligen Ruhezustand. Zu viel Anstrengung darf aber bitte nicht sein: Das könnte den Blutzuckerwert falsch erhöhen.

Sind diese Schritte für dich und deine Katze ok, hältst du ein Katzenohr für einen kurzen Moment fest und lobst überschwänglich für das Stillhalten. Auch das wiederholst du mehrfach und verlängerst die Dauer des Festhaltens nach und nach. Um den Blutfluss bei der Messung zu verbessern, solltest du die Hauptohrvene stauen. Frage am besten deinen Tierarzt, wie das geht und lass dir zudem die dünne Hauptvene am Ohrrand der Katze zeigen, wo du später die Stechhilfe platzierst. Hat deine Katze dunkles oder dichtes Fell, wird die Vene mithilfe einer entgegengehaltenen Taschenlampe besser sichtbar. Vorsichtig! Ist deine Katze eher ängstlich, solltest du sie an die Taschenlampe gewöhnen, um sie nicht zu verunsichern.

Nun kommt die Stechhilfe erstmals zum Einsatz. Bevor du tatsächlich piekst, empfiehlt es sich, zunächst nur so zu tun als ob und deiner Katze ein Ankündigungssignal beizubringen. Etwa eine Sekunde bevor du mit der Stechhilfe das Ohr berührst, sagst du leise „pieks“, damit deine Fellnase lernt, dass sie gleich am Ohr gestochen wird. Sie kann sich darauf vorbereiten, was ihr Sicherheit vermittelt und den kurzen Pieks besser aushalten lässt. Nach Berühren des Ohrs mit der Stechhilfe folgt umgehend wieder eine Belohnung, sodass deine Katze weiterhin entspannt bleibt.

Jetzt wird es ernst!

Sicherlich bist du vor dem ersten richtigen Messen aufgeregt, was ganz normal ist. Gleichzeitig wird es umso besser klappen, je entspannter du bist. Deine Handgriffe sitzen besser und deine Fellnase vertraut dir. Klappt es trotz aller Vorbereitung das erste Mal jedoch nicht, mach dir nichts weiter draus. Versuche es einfach kurze Zeit später wieder und erlaube dir und deiner Katze, diese neue Situation anzunehmen und zu üben. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen!

Hast du die beschriebenen Übungen verinnerlicht, bereitest du alles wie immer vor. Ihr geht euren gewohnten Ablauf durch, nur dass du nun tatsächlich die Stechhilfe nach dem ankündigenden „Pieks“ auslöst. Hast du gut getroffen, bildet sich ein kleiner Blutstropfen, den du vorsichtig mit dem Teststreifen des Messgeräts aufnehmen kannst. Während das Gerät auswertet, gibst du deiner Katze sofort eine kleine Leckerei und drückst du die Einstichstelle mit einem Wattepad gut ab, damit sich kein Bluterguss bildet. Der tut deiner Katze nämlich deutlich länger weh als das kurze Pieks des Messens. Bildet sich nicht gleich ein Tropfen, hast du entweder nicht gut getroffen oder das Ohr ist nicht ausreichend durchblutet. Massiere vorsichtig um die Einstichstelle, ohne dabei zu drücken. Das würde das Ergebnis verfälschen.

Hast du den Wert bestimmt, solltest du deine Fellnase als Nächstes füttern und erst dann das Insulin spritzen, wenn sie eine kleine Mahlzeit zu sich genommen und diese auch bei sich behalten hat. Spritzt du sie ohne Nahrungsaufnahme, kann sie in eine Unterzuckerung rutschen, die schnell lebensgefährlich werden kann. Für diesen hoffentlich nie eintretenden Fall kannst du dir in der Apotheke eine Zuckerlösung besorgen, die im Notfall den Blutzuckerspiegel schnell stabilisiert und damit den sofortigen Weg zum Tierarzt überbrücken kann.

Natürlich erfordert das Messen und Spritzen deiner Katze ein wenig Übung und vor allem Geduld im Aufbau eines positiv verknüpften Rituals. Die Aussicht auf eine gesunde und zufriedene Katze ist der Aufwand allemal wert und du wirst merken, wie schnell ihr beide euch an das regelmäßige Ritual gewöhnt. Viele Katze holen sich im Laufe der Zeit „ihre Spritze“ sogar pro-aktiv ab, weil sie gelernt haben, dass es dann eine besondere Leckerei gibt.


Carmen Schell, Inhaberin von Cattalk®, ist als ausgebildete Tierpsychologin (ATN) mit dem Fachgebiet Katze im Rhein-Main-Gebiet, überwiegend rund um Darmstadt und Frankfurt sowie im Online-Coaching tätig. Sie bietet professionelle Unterstützung bei allen Fragen zu der Haltung und Problemverhalten von Samtpfoten. Neben der persönlichen Beratung gibt sie regelmäßig Vorträge und bundesweite Seminare für interessierte Laien und Profis. Ihr Herz hat die Autorin besonders an Katzen aus dem Tierschutz verloren und engagiert sich ehrenamtlich im regionalen Tierschutz.


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