Du erkennst sie an ihrem weißen Führgeschirr: Blindenführhunde. Sie sind mehr als „nur“ treue Begleiter, sondern erfüllen sozusagen berufsmäßig eine wichtige Aufgabe. Blindenführhunde wirken als zusätzlicher Sinn ihres Menschen, damit dieser möglichst unabhängig von fremder Hilfe sicher seine eigenen Wege gehen kann. Sie ermöglichen ihm damit ein selbstbestimmtes Leben. Eine schöne Berufsbeschreibung, nicht wahr? Wie bei jedem Beruf ist eine gute Ausbildung Voraussetzung für den Erfolg.
Schon 1916 eröffnete in Oldenburg die erste Schule für Blindenführhunde. Deren Ausbildungsmethoden waren allerdings noch sehr rüde und beinhalteten den Einsatz der Peitsche.* Das ist heute zum Glück anders. Es gibt zwar auch kein Zuckerbrot, aber die Hundetrainer setzen durchaus gesunde Leckerli bei den eher spielerisch und fantasievoll verpackten Übungen ein. Erwünschtes Verhalten wird so belohnt und verstärkt. Umso besser kann das anspruchsvolle Lernziel erreicht werden: Unterstützung des Halters und verlässliche Führung durch eine komplexe Alltagswelt. Dabei darf diese Verlässlichkeit nicht mit „blindem Gehorsam“ verwechselt werden. Gerade, weil der Blindenführhund seinem Halter Orientierung in Situationen geben soll, die sein Mensch buchstäblich nicht überblicken kann, lernt er, in Ausnahmesituationen einen Befehl zu verweigern. Nämlich dann, wenn Gehorsam Mensch und Hund in Gefahr bringen würde. Diese Einschätzung kann ein Hund nur leisten, wenn er in seiner Ausbildung nicht einfach nur gedrillt wurde, sondern gelernt hat, Befehle in den Zusammenhang der jeweiligen Alltagssituation einzuordnen. Diese Art Befehlsverweigerung bezeichnet man als „intelligenten Ungehorsam“. Eine solche Ausbildung ist sehr aufwändig und daher leider oft mit hohen Kosten verbunden.
Wie finde ich „meinen“ Hund?
Obendrein müssen Mensch und Hund ein ganz besonderes Vertrauensverhältnis zueinander haben. Nicht jeder Hund passt zu jedem Halter. Manche Hundeschulen testen sogar zuerst den für den jeweiligen Halter vorgesehenen Hund auf seine grundsätzliche Ausbildungseignung. Dann beziehen sie den Nichtsehenden zum ersten Mal ein und erst dann, wenn das Team zusammenpasst, beginnt die eigentliche Ausbildung. Aber jede sorgfältige Hundeschule und jeder sorgfältige Hundeführer-Ausbilder führt mit dem ausgebildeten Blindenführhund und seinem neuen Menschen eine Einarbeitungsphase üblicherweise nicht unter 14 Tagen durch.
Wie finde ich eine geeignete Hundeschule?
Kontakt zu Hundeschulen findest du zum Beispiel über das Internet. Wenn du dir bei der Auswahl nicht sicher bist: Örtliche Blinden- und Sehbehindertenvereine und ähnliche Gruppen haben häufig auf ihren Webseiten Listen mit Hundeschulen in der jeweiligen Umgebung, die die Qualitätskriterien für eine Finanzierung durch die Krankenkasse erfüllen, denn…
Blindenführhunde sind medizinische Hilfsmittel
Gemäß § 33 des Sozialgesetzbuchs, fünftes Buch, sind Blindenführhunde in ihrem weißen Führungsgeschirr als medizinisches Hilfsmittel anerkannt. Du kannst das mit einem weißen Langstock oder einem Rollstuhl vergleichen. Sie haben sogar eine „Produktnummer“ im Katalog des „Hilfsmittelverbandes des GKV-Spitzenverbandes“. „GKV“ steht für die gesetzliche Krankenversicherung. Darin sind sehr ausführlich die Kriterien aufgezählt, die ein Hund erfüllen muss, um unter § 33 SGB V zu fallen. Es gibt keine grundsätzlichen Rassebeschränkungen, aber bestimmte körperliche Mindestanforderungen und – Zitat:
Es muss sich um friedfertige, intelligente, wesensfeste, nervenstarke, arbeitsbelastbare und gesunde Junghunde handeln, …
Auch an Ausbildung und Prüfung sowie an die Hunde-Ausbilder selbst werden hohe Anforderungen gestellt.
Über die Qualitätssicherung hinaus hat die Einhaltung dieser strengen Kriterien aber noch weitere wichtige Folgen: Wenn dein so geprüfter Hund in die Kategorie des medizinischen Hilfsmittels fällt, so bezahlt die Krankenkasse Anschaffung und Ausbildung und leistet einen Zuschuss zu den laufenden Kosten der Hundehaltung. Vorher prüft die Krankenkasse aber auch, ob der Antragsteller, sprich Halter, in der Lage ist, die Verantwortung für das Tier zu übernehmen. Dazu gehört u. a. die Aufsichtspflicht. Auch hier findest du die Kriterien im oben genannten Katalog.
Zutritt für Hunde verboten?
Obwohl klar ist, dass ein anerkannter Blindenführhund seinen Zweck nur erfüllen kann, wenn er seinen Halter überall hin begleiten darf, gibt es im Alltag immer wieder Probleme beispielsweise in Restaurants, bei Konzerten, vor Supermärkten, Altenheimen oder Krankenhäusern. Rechtlich ist dies nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 eigentlich geklärt: Ein generelles Verbot der Mitnahme eines Blindenführhundes oder eines anderen Assistenzhundes stellt in aller Regel eine unzulässige Diskriminierung im Sinne von § 3 Abs. 2, 19 AGG dar.
Dies gilt ungeachtet eines generellen Verbotes zur Mitnahme von Hunden und auch ungeachtet der Regelungen zum Hausrecht. Jedoch haben die Hausrechtsinhaber häufig ihrerseits Sorge, in Konflikt mit Hygienevorschriften zu kommen. Dies ist jedoch unbegründet. Zum Beispiel geht aus der Begründung zur Lebensmittelhygiene-Verordnung vom 5.8.1997 (Bundesrats-Drucksache 332/97) hervor, dass auch aus Sicht des Gesetzgebers geklärt ist, dass beim Mitführen von Blindenführhunden durch Blinde die Lebensmittel nicht grundsätzlich nachteilig beeinflusst werden. Auch nach dem sogenannten „EU-Hygienepaket“, welches die Verordnung ablöste, besteht kein Verbot für das Führen von Blindenführhunden in Räumen, wo Lebensmittel verkauft werden.
Bei Krankenhäusern lässt sich ein grundsätzliches Mitnahme-Verbot zu Besuchen ebenfalls nicht mit der Vermeidung von Infektionen rechtfertigen. Hygiene-Experten gehen davon aus, dass ein Blindenführhund, der nicht akut krank, verletzt oder von Parasiten befallen ist, im Krankenhaus auf einer „normalen“ Station keine zusätzliche Gefahr darstellt. Auf die Intensiv- oder Isolierstation darfst du ihn jedoch nicht mitnehmen. Personal und Patienten sollten ihn nicht streicheln und nicht mit ihm spielen, der zu besuchende Patient und die Mitpatienten dürfen keine Hundephobie haben oder allergisch auf Hunde reagieren. Bei Einhaltung dieser Regeln gibt es keinen guten Grund, einem Gespann aus Nichtsehendem, Besucher und seinem am weißen Führgeschirr erkennbaren ausgebildeten Führhund den Besuch zu verweigern.
Beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV e.V.) findest Du dazu weitere ausführliche Informationen und auch Hinweise, an wen du dich wenden kannst, wenn dir und deinem Hund der Zutritt zu einem bestimmten Ort verwehrt wird.
Entwicklung
Zum Glück lässt sich aber insgesamt eine positive Entwicklung feststellen: Inklusion, also die gleichberechtigete Möglichkeit körperlich eingeschränkter Personen zur Teilnahme am Alltag, ist seit einiger Zeit auch zum Alltagsthema geworden.
Dementsprechend können wir hoffen, dass wir demnächst Gespanne aus Blindenführhund und -Halter neben uns im Supermarkt mit der gleichen Selbstverständlichkeit wahrnehmen oder übersehen wie einen Kinderwagen. Jedenfalls aber nicht mehr darüber nachdenken, ob und warum der Blindenführhund überhaupt hätte hereinkommen dürfen.
Mit ihrem Mann Jörg Ziemer gründete sie das Schulungszentrum Ziemer & Falke, in dem sie seit vielen Jahren mit viel Herz, Leidenschaft und Kompetenz Hundetrainer in ganz Deutschland ausbilden und viele Weiterbildungsangebote anbieten. Viele kennen Kristina außerdem als erfolgreiche Autorin von Fachbüchern für Hundetrainer und Hundehalter sowie aus Artikeln beliebter Hundezeitschriften.