Ausgehend vom Vorfahr unseres heutigen Haushundes, dem Wolf, existieren viele verschiedene Rassen. Manche sind beispielsweise groß und langbeinig mit spärlich behaarter Haut, Andere hingegen klein und stark behaart. Allen gemein ist jedoch die erstaunlich gute Anpassung an klimatische Veränderungen. So sind Hunde im Allgemeinen in der Lage sowohl Hitze (bis ca. 30 Grad) wie auch Kälte (bis ca. -15 Grad) weitestgehend problemlos auszuhalten. Außerhalb dieser Spanne fühlen sich Hunde nicht mehr wirklich wohl, passen ihr Verhalten aber entsprechend an - suchen z.B. Schatten im Hochsommer oder steigern ihre körperliche Aktivität bei bzw. gegen winterliche Kälte.
Falschmeldungen in sozialen Medien
Leider taucht seit einigen Jahren eine Falschmeldung (ein sogenannter Hoax) in den sozialen Netzwerken auf, der regelmäßig viele Hundehalter grundlos verunsichert. Bei diesem Kälte-Hoax sind die einzelnen Fehlinformationen nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Daher soll nun in allen Einzelheiten gezeigt werden, warum die dabei erhobenen Behauptungen jedweder Basis entbehren:
Vorneweg: die (beiden) letzten Winter haben NICHT viele Kleinhunde das Leben gekostet.
Hunde sind nämlich Dank Ihres Fells in der Regel recht gut gegen Kälte gewappnet. Natürlich gibt es da einige Unterschiede - so wird beispielsweise der Podenco mit wenig Fell deutlich früher frieren als ein Sibirischer Husky. Um dem Auskühlen im Freien entgegenzuwirken können sich Hunde und andere Säugetiere jedoch durch verschiedenen Strategien schützen. So wird zum Beispiel durch Spielen und Sprinten Körperwärme mit Hilfe der Muskulatur erzeugt.
Dass Kleinhunde schneller auskühlen sollen als ihre größeren Artverwandten entbehrt jeder Grundlage. Wenn ein Säugetier (Mensch, Hund, Katze, usw.) kalte Luft einatmet, wird diese im Mund- oder Nasenraum angewärmt und dadurch der Körpertemperatur angepasst. Selbst wenn die Kälte ungehindert in die Bronchien eindringen würde, wär es äußerst unwahrscheinlich dass sie über das Zwerchfell (eine muskuläre Trennwand) den Bauchraum erreichen und dort obendrein zu einer massiven Absenkung der Kerntemperatur führen würde.
Die im Hoax beschriebene 'Ruptur im Abdomen' bedeutet übersetzt, dass es zu einem Riss im Bauchraum kommen soll - eine sehr vage Aussage. Der erwähnte "Peristinalbereich" ist ein frei erfundenes Wort. Vermutlich angelehnt an den lateinischen Fachbegriff für das Areal des Damms (Perianalbereich). Bei "im geräuschbildenden, inneren Bauchbereich" kann man lediglich raten was der Autor gemeint haben könnte, denn Geräusche im Bauch werden lediglich durch Magen, Dünn- und Dickdarm erzeugt.
Bei Hunden mit realen inneren und nicht unerheblichen Blutungen zeigt sich tatsächlich eine leichte bis deutliche Zunahme des Bauchumfangs - er wird dabei aber definitiv nicht "sehr weich", sondern eher härter, sofern sich die Oberflächenspannung überhaupt ändert. Eine "weißliche Farbe" der Bauchdecke ist ein Zustand, der unter Umständen erst post mortem bei völligem Verbluten entstehen kann... nicht als Symptom dieser erfundenen Erkrankung.
Eine "Sterberate ... bei eigentlich 100%" hört sich zugegebenermaßen hochdramatisch an, aber woher soll diese Zahl stammen? Selbst der Autor zählt "nur" zwei Fälle auf, von denen er wissen will (sein eigener Hund sowie der Jack Russel im Bekanntenkreis). Die vermeintliche Aussage der angeblichen Tierarztpraxis "die Rate der so zu Tode gekommenen Hunde sehr hoch war" erscheint paradox, denn: Schon vor einigen Jahren haben ich diesen Hoax in drei verschiedene Tierarzt-Facebook-Gruppen geteilt - mit der Frage ob jemand schon mal ein derartiges Trauma gesehen oder zumindest davon gehört habe. Es fand sich jedoch kein einziger Kollege/in, der/die es bejahen konnte. Keine Person von über 4000 Tierärzten hatte jemals davon gehört!
Nach der Beschreibung der angeblichen Symptome sowie der Verläufe wäre es obendrein doch mehr als unlogisch "noch eine schnelle Rennrunde zuzulassen", oder? Wenn doch diese unglaubliche Gefahr bestehen würde, wäre es mehr als fahrlässig seinen geliebten Hund unkontrolliert rennen zu lassen.
Die Anleitung zur Bekämpfung einer Unterkühlung ist tatsächlich nicht verkehrt... allerdings Dinge wie Federkopfkissen, Heizkissen auf Stufe 1 (von wie vielen denn?) und das explizit erwähnte Pulver-Präparat erscheinen schon ein wenig komisch.
Hunde brauchen regelmäßigen Auslauf
Obwohl die warnenden Worte sehr emotional geschrieben sind, bitte ich inständig darum ihnen keinen Glauben zu schenken. Jeder Hund sollte jeden Tag möglichst raus an die frische Luft! Ich weiß wirklich nicht wie jemand dazu kommt solchen Unsinn zu verbreiten?
Das Leben ist generell nicht ungefährlich, aber ein gesundes Tier in Watte zu packen, ist definitiv der falsche Weg. Hunde wollen leben, ihre Umwelt erleben und am Leben von Frauchen/Herrchen aktiv teilnehmen - sowohl im Haushalt wie auch im Freien.
Tierarzt Sebastian Goßmann-Jonigkeit ist seit 2012 praktizierender Tierarzt für Kleintiere in Engelskirchen bei Köln. Dort leitet er die Praxis gemeinsam mit seiner Frau. Sein Faible gilt der Zahnmedizin für Hunde und Katzen – daher fühlt er sich zwischen Dentalröntgen und Zahn-OP auch besonders wohl. In seiner Freizeit bloggt er auf Facebook und Instagram.
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